rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Max und Moritz und das deutsche Beamtenrecht

57 Bewertungen

Grund und Anlass dieses Beitrags ist ein in diesem Jahr erschienenes Buch des nicht nur in NRW bestens bekannten Beamtenrechtlers J.-M. Günther, der die von Wilhelm Busch so herrlich verfasste Geschichte der beiden „Lausbuben“ Max und Moritz einmal aus einem ganz anderen und höchstamüsanten Blickwinkel betrachtet hat.1

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Der Fall Max und Moritz“ von J.-M. Günther bietet ein nicht (ganz) ernst gemeintes Werk über die Umtriebe zweier jugendlicher Straftäter zur Warnung für Eltern und Pädagogen. Die Idee, die hinter den Ausführungen Günthers zu Wilhelm Buschs Geschichte von Max und Moritz steckt: Die sieben Streiche der „Lausbuben“ werden im Stil eines juristischen Gutachtens einer detaillierten strafrechtlichen Prüfung unterzogen. Die gefundenen Ergebnisse werden – wie es bei jeder wissenschaftlichen juristischen Veröffentlichung erforderlich ist – mit Fundstellen belegt. Die Gründlichkeit der Untersuchung zeigt allein die Tatsache, dass Günther in schier unglaublichen 666 (!) Fußnoten seine Ergebnisse durch Verweisungen auf die jeweilige Rechtsprechung und/oder Literatur untermauert.


In seinem Buch betrachte der Autor die Geschichte von Max und Moritz zwar vornehmlich im Lichte des deutschen Strafrechts. Allerdings zeigt sich seine Nähe zum Beamtenrecht daran, dass er etwa das „Attentat“ auf den Lehrer Lämpel im vierten Streich, von Wilhelm Buschs wohl nahezu jedem bekannten Werk, auch aus dienstunfallrechtlicher Sicht würdigt (S. 118 ff.).


Das Buch beginnt nach der Inhaltsübersicht mit einem Zitat, dem – ohne dass der Autor dies explizit erwähnt – aber auch im Disziplinarrecht durchaus eine gewisse Bedeutung zugemessen werden sollte:


„Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt!“


In seinem Vorwort zitiert der Autor wieder einen von Buschs bekanntesten Versen:

„Also lautet der Beschluss, dass der Mensch was lernen muss!“


Bei diesem Zitat kommt man nicht umhin, auch hier wieder einen Bezug zum „modernen“ Beamtenrecht herzustellen: Gerade in Zeiten der Modularisierung sollte nicht nur an die neu bestehenden, stark erleichterten beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten, sondern insbesondere auch an die von den jeweiligen Gesetzgebern postulierte Pflicht eines jeden Beamten zum „lebenslangen Lernen“ durch die Teilnahme an geeigneten Fortbildungsmaßnahmen erinnert werden. So lautet etwa in Bayern Art. 43 Abs. 6 LlbG:


„Ist beabsichtigt, dem Antragsteller oder der Antragstellerin einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung aufzuerlegen, ist zunächst zu prüfen, ob die im Rahmen der bisherigen Berufspraxis oder durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen, die hierfür von einer einschlägigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden, den wesentlichen Unterschied ganz oder teilweise ausgleichen können.“


Für die wohl vornehmlich am Beamtenrecht interessierten Leser dieser Reihe soll aber die bereits oben erwähnte Würdigung des Angriffs von Max und Moritz auf den Lehrer Lämpel durch den Autor aus dienstunfallrechtlicher Sicht im Rahmen dieses Blogbeitrags besonders gewürdigt werden. Gerade die verbeamtete Lehrerschaft sollte ihre Rechte kennen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben. Dies gilt umso mehr, als auch die „neuen“ Bundesländer (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen) vermehrt dazu übergehen, Lehrer nicht mehr in einem Angestelltenverhältnis zu beschäftigen, sondern sie entsprechend der Bedeutung ihrer für die Gesellschaft überaus wichtigen beruflichen Tätigkeit (Stichwort: „Funktionsvorbehalt“) zu Beamten zu ernennen. Auch das Lehrpersonal an den staatlichen Bildungseinrichtungen, die sich mit der Ausbildung des Beamtennachwuchses beschäftigen (Hochschulen und Fachhochschulen als Nachfolger der früheren „Beamtenfachhochschulen“ für den gehobenen Dienst) kann hiervon bestens profitieren.


Günther
führt aus, dass sich die Explosion der Pfeife aufgrund der Füllung mit Sprengstoff durch Max und Moritz zwar außerhalb der Dienstzeit zugetragen hat, nach § 31 Abs. 4 BeamtVG i.V.m. § 31 Abs. 1 BeamtVG (und dem entsprechenden Landesrecht) liegt jedoch gleichwohl ein Dienstunfall vor: Erleidet ein Lehrer außerhalb des Unterrichts einen Körperschaden, so ist dieser einem innerdienstlichen Schaden gleichzusetzen, wenn dieser Lehrer in Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder gerade wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird, denn hier verdient ein Lehrkörper den besonderen Schutz und die besondere Fürsorge seines Dienstherrn.


Als Beispiel aus der Rechtsprechung verweist Günther auf ein Urteil des VG Minden v. 14.12.2007 – 4 K 1451/07. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt würgte der Vater einer Schülerin einen Lehrer während der unterrichtsfreien Zeit, weil dieser seine Tochter (angeblich) in beleidigender Weise zur Rückgabe in der Schulbibliothek ausgeliehener Bücher aufgefordert hatte. Das Gericht ging in diesem Fall zu Recht vom Vorliegen eines Dienstunfalles aus.

Weitere Beispiele für das Vorliegen eines Dienstunfalls im privaten Bereich des Beamten:

  • Im Fall des VG München (Urteil v. 15.6.2004 – M 5 K 03.4440) ging es um einen Mordversuch an einem Lehrer, der an diesem Tag krankheitsbedingt keinen Unterricht halten konnte.

  • Bei der Entscheidung des BayVGH v. 23.9.2011 – 3 B 10.288 – wurde von einem Dienstunfall bereits deswegen ausgegangen, weil ein Lehrer einen psychischen Schaden erlitt, als ein ihm gegenüber bestehender Mordplan aufgedeckt wurde.

 

„Und die Moral von der Geschicht“ (= Fazit):


Jeder Dozent an den Universitäten oder an den Bildungseinrichtungen von Bund und Ländern wird unter Zuhilfenahme der Geschichte in die Lage versetzt, seinen „Unterricht“ sogar im Fach Beamtenrecht (jetzt einheitlich: seine „Vorlesungen“) anschaulich, äußerst vergnüglich und dennoch juristisch fundiert zu gestalten und er kann seine Hörerschaft vor einer sonst vielleicht drohenden Interessenslosigkeit bzw. einem ungebührlichen Einschlafen mit Sicherheit bewahren.


Beamtenrecht ist alles andere als eine trockene Materie! Man muss sich halt nur etwas einfallen lassen!

 

Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


1 Günther, Jörg-Michael, Der Fall Max und Moritz, Eichborn-Verlag, Köln, 232 Seiten, ISBN 978-3-8479-0656-8, Preis: 18.- Euro.

 


 

Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit folgenden Titeln:

 

I. Zum Dienstunfallrecht:


 

II. Zur Verbeamtung von Lehrern:


 

III. Näheres zum Dienstunfall auch im privaten Bereich:

  • Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, § 31 BeamtVG, Rn. 257 ff.
Roetteken / Rothländer

Teil IV: Beamtenrecht

Vierteljahrespreis‎ 325,00 €
Online-Produkt
Roetteken / Rothländer

Kommentar

Vierteljahrespreis‎ 100,00 €
Online-Produkt
Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
1 Kommentar zu diesem Beitrag
kommentiert am 28.05.2019 um 19:30:
Schade, dass die Lehrer an der "Hochschule für öff. Verwaltung in Bayern" das Buch nicht benutzt haben. Der oft so "fade" Unterricht (= "Vorlesungen") hätte uns sicher viel mehr Spaß gemacht!!!!!!
banner-beamtenrecht.png
rehm_e-line_banner_355x355_L1_Var1.jpg
SX_LOGIN_LAYER