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Tätowierungen: Eine falsche Entscheidung des VG Berlin

Gerade zu Tätowierungen von Polizeibeamten gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. Das VG Berlin sorgt mit seinem Urteil v. 27.2.2025 (Az.: 26 L 288/24) dabei erneut für Zündstoff.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

gleich vorweg: Die Entscheidung des VG Berlin ist in zweierlei Hinsicht falsch:

1. Keine „vorläufige“ Ernennung

Die Antragstellerin begehrte im Eilverfahren (§ 123 VwGO) die „vorläufige“ Zulassung zur Ausbildung des gehobenen Dienstes bei der Kriminalpolizei. Die begehrte Aufnahme in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Dienstes bei der Berliner Kriminalpolizei erfolgt – wie das Gericht hier noch richtig ausführt – unter Berufung (= Ernennung) in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf (vgl. § 6 der dort geltenden Polizeilaufbahnverordnung).

Eine solche „vorläufige Ernennung“ ist nach geltendem Beamtenrecht jedoch gar nicht möglich. Es gibt nämlich nach geltendem Recht kein „vorläufiges Beamtenverhältnis“. In diesem Sinn hatte bereits das OVG Berlin-Brandenburg am 20.3.2023 (Az.: OVG 4 S 8/23) völlig richtig entschieden. (Siehe dazu insbesondere Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 13 zu § 4 BeamtStG).

Das VG Berlin hat im Übrigen dem Antrag der Bewerberin nur deshalb nicht stattgegeben, weil sie im Laufe des Verfahrens vorgetragen hatte, eine weitere Tätowierung vornehmen zu lassen, eine Ablehnung wegen des unzulässigen Antrags auf „vorläufige Ernennung“ unterblieb hingegen. Unzulässig war der Antrag schon deshalb, weil er auf eine Rechtsposition gerichtet war, die nach geltendem Recht „unmöglich“ ist. Es mangelte folglich insofern schon an der notwendigen Antragsbefugnis.

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2. Unzulässige Tätowierung

Die Bewerberin um eine Einstellung trägt auf ihren beiden Händen Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten, die jeweils einen Großteil des Handrückens bedecken. An die Blüten schließen sich die Namenszüge „K...“ bzw. „Q...“ an. Im Bereich des Handgelenks der linken Hand sind zudem ein Armband sowie die Zahl „248“ tätowiert. Zudem befinden sich an den Fingerenden der Antragstellerin jeweils ein bis drei kleine Punkte sowie ein kleines Kreuz auf dem Ringfinger der linken Hand.

Mit Bescheid vom 26. November 2024 lehnte die Personalbehörde die Bewerbung der Antragstellerin aufgrund der Tätowierungen „auf beiden Handrücken“ ab.

Richtigerweise stellt das VG Berlin fest, dass die im Rahmen der Auswahl der Bewerber vorzunehmende Eignungsbeurteilung ein Akt „wertender Erkenntnis“ ist, der vom Gericht nur beschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob die Personalverantwortlichen den anzuwendenden Begriff der (hier charakterlichen) Eignung verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt haben. Nach der einhelligen Rechtsprechung und insbesondere nach § 34 Abs. 2 BeamtStG kann gerade auch das äußere Erscheinungsbild eines Bewerbers einer Einstellung entgegenstehen.

Es liegt also im Beurteilungsbereich des Dienstherrn, ob die Tätowierungen der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgehen und aufgrund ihrer besonders individualisierende Art geeignet sind, die spätere amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Im hier zu entscheidenden Fall konnte der „Körperschmuck“ insbesondere nicht durch eine entsprechende Dienstkleidung verborgen werden.

Selbst wenn sich die Einstellung der Öffentlichkeit zu Tätowierungen erkennbar in den vergangenen Jahren geändert hat, können solche großflächigen Tattoos, wie die der Antragstellerin, nach wie vor nicht toleriert werden, weil sie gerade auf ältere hilfesuchende Mitbürger abschreckend sein können.

Es läge vielmehr an der Bewerberin, diese entfernen zu lassen, wenn sie Beamtin werden will.

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§ 34 Abs. 2 BeamtStG lautet:

Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von ….Tätowierungen im sichtbaren Bereich … können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen….

Wie streitig – aber auch wie aktuell – gerade die Zulässigkeit von Tattoos im öffentlichen Dienst immer noch ist, das zeigt allein die Tatsache, dass zum Thema „Tätowierung von Beamten“ allein bei „Juris“ 130 (!) Zeitschriftenbeiträge veröffentlicht worden!

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

Literaturhinweis:

  • Lexikon Beamtenrecht, Stichwörter: Eignung – Tätowierung – Verfassungstreue
  • Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 13 zu § 4 BeamtStG und Rn. 8 zu § 8 BeamtStG (vorläufige Ernennung) sowie Rn. 16a ff. zu Art. 75 BayBG (Zulässigkeit von Tattoos).
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1 Kommentar zu diesem Beitrag
kommentiert am 23.07.2025 um 19:51

Auch die Rechtsprechung muss sich geänderten Gegebenheiten anpassen.
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