Liebe Leserin, lieber Leser,
es besteht seit langem auch für Beamte die Idee einer Arbeitsorganisation, bei welcher die Verantwortung für die zu erledigenden Aufgaben delegiert und auf die Beschäftigten übertragen wird, um sie von dem engen Korsett des Arbeitszeitrechts zu befreien. In der freien Wirtschaft wird das Modell der Vertrauensarbeitszeit bereits häufig praktiziert.
Gemäß Vorgaben der Unternehmensleitungen soll auf diese Weise – im Endeffekt – das unternehmerische Denken durch die Eigenverantwortung der Beschäftigten in den Vordergrund gestellt werden. Es zählt hierbei in erster Linie das Arbeitsergebnis und man geht bei diesem Konzept davon aus, dass die Arbeitszeit erfüllt ist, wenn die anfallenden Aufgaben erledigt sind. „Stechuhren“ und Gleitzeitregelung sind hier ebenso hinfällig, wie die Überwachung der Anwesenheit der Bediensteten durch die Vorgesetzten, die ihre „soziale Kompetenz“ durch den erforderlichen Vertrauensvorschuss und die Arbeitsergebnisse beweisen.
Dies ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite führte die Vertrauensarbeitszeit in der Praxis der Privatwirtschaft dazu, dass die Beschäftigten eine Vielzahl von Überstunden geleistet haben, die von den Arbeitgebern nicht abgegolten werden mussten. Hinter dem Modell steht für die Arbeitgeberseite das überaus willkommene Ergebnis, dass durch die Vertrauensarbeitszeit die Personalkosten reduziert und Neueinstellungen vermieden werden konnten.
Und genau hier ist der Grund für die Klage einer spanischen Gewerkschaft gegen die Deutsche Bank zu sehen, welche letztendlich zu einer Vorlage vor den EuGH führte: Es sollte eine Überprüfung der Einhaltung der täglichen Arbeitszeit einerseits und die Verpflichtung zur Unterrichtung der Gewerkschaftsvertreter über die monatlich geleitsteten Überstunden andererseits im Interesse der Beschäftigten gesichert werden.
Die Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 – Az.: C-55/18 – zu dem Modell der Vertrauensarbeitszeit ist deshalb von vielen mit Spannung erwartet worden. Die Aussagen dieser Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der EuGH betont in seinen Ausführungen vor allem den Zweck der europarechtlichen Arbeitszeitrichtlinie (EU-RL 2003/88), den Beschäftigten einen hinreichenden und effektiv durchsetzbaren Arbeitsschutz zu gewährleisten, denn diese haben die schwächere Position und dieser Umstand erfordere ein System, durch welches objektive und verlässliche Daten gewährleistet werden. Es gilt die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu schützen und hierzu insbesondere eine Überforderung zu vermeiden.
Das Urteil des EuGH ändert nichts an den durch das Arbeitszeitgesetz für Angestellte und durch die Arbeitszeitverordnungen von Bund und Ländern für Beamte festgelegten Regelungen: Die Arbeitszeit beträgt auch in Zukunft durchschnittlich acht Stunden und maximal zehn Stunden täglich. Zwischen zwei Arbeitstagen sind elf Stunden ununterbrochene Ruhe und während eines Arbeitstags von sechs bis neun Stunden mindestens 30 Minuten Pause einzulegen.
Sehr wohl ändert sich allerdings etwas bei der Dokumentationspflicht. „Ungefähre“ Aufzeichnungen oder – wie bisher oft üblich – gar keine Aufzeichnungen sind unzulässig, denn die vom EuGH geforderte Kontrolle durch öffentliche Stellen kann nur wirksam vorgenommen werden, wenn diesen verlässliche Daten zugänglich sind.
Das Urteil des EuGH erging zwar „nur“ zum Arbeitsrecht, aber es gelten die in der grundlegenden Richtlinie enthaltenen Bestimmungen in gleichem Maße für Arbeitnehmer und für Beamte (wie etwa Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 RL 89/391/EWG zeigt). Die angeführte Entscheidung besitzt deshalb gerade auch für das Arbeitszeitrecht der Beamten in Bund und Ländern eine wesentliche Bedeutung.
Es fragt sich allerdings, ob durch das Urteil des EuGH tatsächlich die Einführung der Vertrauensarbeitszeit für Beamte ausgeschlossen wird.
Ich denke: Nein.
Mehr Eigenverantwortung und mehr Flexibilität im öffentlichen Dienst sind künftig dann möglich, wenn die Aufzeichnungspflicht nach den einzelnen Arbeitszeitverordnungen in einer Weise gestaltet wird, dass diese in erster Linie den Beamten obliegt. Außerdem sollte Mehrarbeit, die letztendlich zu einem Zeitausgleich führt (vgl. § 7a AZV), nicht länger angeordnet oder genehmigt werden müssen.
Vertrauensarbeitszeit bei Beamten bedeutet dann letztendlich nur, dass der Dienstherr die Arbeitszeit nicht (mehr) kontrollieren muss. Die Aufzeichnungspflicht selbst bleibt aber schon nach den Vorgaben des EuGH bestehen.
Man kann für das Berufsbeamtentum zusammenfassen: Vertrauensarbeitszeit bedeutet schlicht und einfach weniger Kontrolle!
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:
Zur Arbeitszeit der Beamten vgl.:
Weiß/Niedermaier/Summer Art. 87 BayBG, Rn. 1 ff.
Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 60 LBG NRW, Rn. 1ff.
v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, § 60 HBG, Rn. 1 ff.
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