Unangemeldete Unterrichtsbesuche
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
zu der Frage, inwieweit die Schulleitung oder eine vorgesetzte Behörde Unterrichtsbesuche überhaupt durchführen darf, können im Einzelfall Verordnungen, Erlasse bzw. Verwaltungsanordnungen bestehen. Diese sind dann bindend. Bestehen dagegen keine allgemeinen Regelungen, dann stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
Die Schulleitung hat in der Regel schon kraft ihres Direktionsrechts und ihrer Aufsichtspflicht die an der Schule tätigen Lehrkräfte während des Unterrichts zu besuchen und ggf. zu beraten. Die Durchführung solcher Kontrollen liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Schulleitung. Dabei muss auch kein Besuchsplan aufgestellt werden und der Besuch muss sich auch nicht auf eine ganze Unterrichtsstunde erstrecken. Findet im Anschluss ein Beratungsgespräch statt, so sollte dies möglichst zeitnah nach dem Unterrichtsbesuch erfolgen, damit die Beratung verständlich ist und positive Ergebnisse erzielt werden können.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es die vordringliche Aufgabe der Schulleiter ist, einen ordnungsgemäßen und bestmöglichen Schulbetrieb zu gewährleisten. Gleiches gilt auch und erst recht für vorgesetzte Schulbehörden. Diese Aufgabe kann nur erfüllt werden, wenn Unterrichtsbesuche auch unangemeldet erfolgen. Solche Besuche zu dulden, gehört zur Weisungsgebundenheit bzw. Folgepflicht der einzelnen Lehrkraft. (Belastende) Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG liegen hier mangels Außenwirkung jedenfalls nicht vor.1
Anders ausgedrückt: Subjektive Rechte der zu besuchenden Lehrkraft werden durch einen Unterrichtsbesuch nicht berührt.
Insbesondere wird die pädagogische Freiheit durch einen unangemeldeten Unterrichtsbesuch nicht betroffen, vielmehr stellt sich die Frage, ob der jeweilige Lehrkörper bei nur angemeldeten Besuchen nicht durch eine entsprechende Vorbereitung ein falsches Bild seiner sonstigen beruflichen Fähigkeiten vermitteln würde. Der unangemeldete Unterrichtsbesuch lässt die der Lehrkraft eigene inhaltliche Gestaltung des Unterrichts unberührt.
Das OVG Lüneburg2 führt hierzu aus:
„Die Antragstellerin (Lehrerin) verkennt, dass sie sich als Beamtin aus begründetem Anlass sehr wohl in ihrer Dienstausübung durch den Schulleiter als Vorgesetzten ‚kontrollieren‘ lassen muss und diese Kontrollen keine ‚Sanktion‘ darstellen. Ist der Unterricht einer Lehrkraft mehrfach Gegenstand nicht ohne weiteres unglaubhafter Beschwerden, so darf sich der Schulleiter durch Unterrichtsbesuche, die die Funktion von Stichproben haben, ein eigenes Bild von der Lehrtätigkeit der Betroffenen machen. Solche Unterrichtsbesuche könnten ihre Stichprobenfunktion nicht erfüllen, würde ihr genauer Termin angekündigt und damit der Lehrkraft die Möglichkeit gegeben, etwa nur aus Anlass der Überprüfung eine mustergültige Stunde zu halten. Es gehört daher zu den Dienstpflichten einer Lehrerin, sich durch Beschwerden hinreichend veranlassten, unangekündigten Unterrichtsbesuchen ihres Schulleiters – und den damit notwendigerweise verbundenen, kleineren Störungen ihres Unterrichts – gewachsen zu zeigen.“
Etwas anderes würde sich nur ergeben, wenn unangemeldete Unterrichtsbesuche den Charakter eines „Mobbing“ aufweisen oder mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betroffenen Lehrkraft zu rechnen ist. Aber auch hier gilt es, die Summe aus Unterrichtsbesuch und „Gefährdung“ zu relativieren.
So führt das OVG Lüneburg in seiner o.g. Entscheidung etwa weiter aus:
„Bei richtiger rechtlicher Einordnung des Vorganges besteht für eine erfahrene Lehrkraft, die sich nichts vorzuwerfen hat, kein Anlass, mit einer Aufregung zu reagieren, die in ‚Kreislaufprobleme‘ mündet. Ebenso liegt es auf der Hand, dass eine etwaige Neigung zu Depressionen nicht dazu führen kann, dass gegenüber einer Beamtin die Fach- und Dienstaufsicht nicht mehr wirksam ausgeübt werden darf.“
Fazit:
Unangemeldete Unterrichtsbesuche durch Schulleitungen und durch Vertreter vorgesetzter Behörden sind grundsätzlich hinzunehmen. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn sich die Schulbehörden durch entsprechende Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften selbst gebunden und solche Besuche reglementiert haben.
Auskünfte darüber, ob eine solche Bindung vorliegt, geben in aller Regel mit großer Zuverlässigkeit der zuständige Personalrat oder die zuständige Interessensvertretung.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Zur Außen- und Innenwirkung im Schulbetrieb siehe OVG Lüneburg vom 3.8.1999, Aktenzeichen: 5 M 2250/99, ZBR 2001, 65.
2 Beschluss vom 15.5.2009, Aktenzeichen: 5 ME 39/09, DÖD 2009, 260.
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