Liebe Leserin, lieber Leser,
natürlich spielten an diesem Abend die Hochrechnungen eine wichtige Rolle. Die CSU hatte ihre absolute Abgeordnetenmehrheit verloren, die SPD rückte unter 10 Prozent, die „AfD“ kam erstmals in den Landtag, die „Freien“ feierten einen unerwarteten Erfolg und die Grünen gingen als eindeutige Wahlsieger hervor. Aber nicht nur dieses Wahlergebnis wurde eifrig diskutiert, sondern auch die erneut sehr geringe, wenn auch leicht gestiegene Wahlbeteiligung.
Nun haben Stammtische den großen Vorteil, dass man hier so reden kann, soll und darf, „wie einem der Schnabel gewachsen ist“ und man spart deshalb auch nicht mit Kritik. In Hinblick auf die erneut geringe Wahlbeteiligung – etwa jeder dritte Wahlberechtigte gab seine Stimme nicht ab – wurden dabei auch am 14. Oktober beim „Huberbräu1“ die unterschiedlichsten Positionen bezogen, von denen ich hier nur die „wichtigsten“ wiedergeben will.
So meinte Amtsrat Meier, der Hauptgrund für die geringe Teilnahme an der Wahl sei eine allgemeine Politikverdrossenheit.
Worauf ihm der pensionierte Hausmeister Pframminger entgegnete, es gäbe wohl keine Politikverdrossenheit, sondern eher eine „Politikerverdrossenheit“. Da es an einem Stammtisch schon traditionell keine Unterschiede nach Statusämtern und Besoldungsgruppen gibt und bekanntlich hier nur die Macht der vorgetragenen Gründe und – in nicht ganz seltenen Fällen – die Stimmgewalt des Protagonisten zählt, gab man ihm allgemein recht.
Regierungsoberinspektor Loibl unterstrich die Auffassung Pframmingers, indem er darauf verwies, dass es für den Abgeordneten bei der Wahl in erster Linie darauf ankomme, ein gut dotiertes Amt – verbunden mit hohen Pensionsansprüchen – zu erhalten. Man brauche sich ja nur zu erinnern, wie überaus präsent unsere Volksvertreter parteiübergreifend vor der Wahl auf Wochenmärkten oder Volksfesten seien. Bei Wahlveranstaltungen gebe es neben Kugelschreibern manchmal sogar Bier und Brotzeit. Nach der Wahl sei das aber dann alles vorbei.
Verwaltungssekretär Huber präzisierte die Aussage Pframmingers und wies zusätzlich darauf hin, dass sich die Politiker bei einer Erhöhung ihrer eigenen Diäten regelmäßig parteiübergreifend einig seien, sich aber bei Tarifverhandlungen und Besoldungsdebatten mit Vehemenz dagegen sträubten, den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch nur annähernd gleiche Erhöhungen zu gewähren.
Oberregierungsrat Schulze, der erst kürzlich im Wege der modularen Qualifizierung in sein Amt ernannt worden war, lobte dagegen die Haltung der an Sparsamkeit orientierten Abgeordneten, die schon wüssten, was sie täten. Er erntete dafür allerdings nur recht geringe Zustimmung.
Pframminger entgegnete wiederum, dass leider nicht jeder, der gewählt wurde, auch gleichzeitig den für sein Amt erforderlichen Verstand erhalten würde (Applaus!).
Der leitende Regierungsdirektor König gab ihm recht und erinnerte daran, dass man in der früheren Regierungspartei sogar solche Leute zu Ausschussvorsitzenden gemacht hätte, die von der Materie weder aufgrund ihrer Vorbildung, noch durch ihre frühere Tätigkeit oder eine entsprechende Erfahrung die erforderlichen Kenntnisse besitzen konnten. Das Schlimme daran sei, so meinte er, dass „die Dame“ dadurch zum gewünschten Spielball des für den Entwurf von Gesetzen und Verordnungen zuständigen Ministeriums geworden sei.
Amtsrat Meier warf ergänzend ein, es sei völlig unverständlich, warum es in Bayern als einzigem Bundesland eine Ministerialzulage von mehr als 10 Prozent des normalen Gehalts gäbe, die sich sogar auch noch versorgungsrechtlich auswirke. Gerade wären die Politiker gefordert.
Verwaltungssekretärin Gruber meinte jetzt, es sei nicht akzeptabel, dass man im Bundesparlament zwar gegenwärtig über die Verpflichtung von Beamten zur gesetzlichen Rentenversicherung diskutiere, von einer Einbeziehung der Politiker in dieses System aber noch niemals die Rede gewesen sei. Sie habe sich jedenfalls als Kandidatin bei der gleichzeitig mit der Landtagswahl durchgeführten Bezirkstagswahl aufstellen lassen, um solche Missstände künftig zu bekämpfen. Und sie warte jetzt eben auf das Ergebnis.
Pframminger fragte daraufhin Gruber, ob sie überhaupt wisse, welche Aufgaben der Bezirk wahrnehme, worauf Gruber antwortete, dass sie das zwar nicht wisse, dies sei aber auch nicht erforderlich, es gäbe jedenfalls 740 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat – egal, ob man an den Sitzungen teilnimmt oder nicht – und man werde ihr das Erforderliche im Falle ihrer Wahl schon noch mitteilen.
Huber erinnerte jetzt daran, dass die Minister und Abgeordneten sich immer noch mit dicken Staatskarossen wie Mercedes, BMW oder Audi durch die Gegend chauffieren ließen, aber gleichzeitig Freiflüge bei der Lufthansa und kostenlose Tickets bei der Bundesbahn erhalten würden. Ein einfacher Opel oder ein anderes Mittelklasseauto würde es in jedem Fall auch tun. Außerdem habe sich ja bekanntlich ein Minister auf Kosten von ihm als Steuerzahler mit einem Bundeswehrflugzeug zu seiner Freundin nach Mallorca in den Urlaub fliegen lassen und eine ehemalige Bundestagspräsidentin habe auch keine Scheu gehabt, Privatflüge mit steuerlich finanzierten Fliegern zu machen. „Wie soll man vor solchen Leuten Respekt haben?“
Worauf wiederum Pframminger das Argument brachte, es gäbe eben überhaupt keinerlei Maßnahmen, bei welchen Politiker mit gutem Beispiel vorangingen. „Warum gibt es“ – so der ehemalige Hausmeister – „keinen Fond, in welchem Politiker einen Betrag von 10 Prozent ihrer Diäten für soziale Zwecke zur Verfügung stellen?“
Einig war man sich schlussendlich darüber, dass alle diese Gründe für die geringen Wahlbeteiligungen der vergangenen Jahre ausschlaggebend gewesen sind. Es fehle halt eben jeglicher Vorbildcharakter!
Das ist es, was ich von diesem Behördenstammtisch berichten will und man hätte sicher noch lange weiterdiskutieren können, wenn man nicht am folgenden Montag wieder seinem gewohnten und unterbezahlten Dienst in der Behörde nachgehen hätte müssen.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Sowohl der Ort der Handlung, als auch die Namen der Protagonisten wurden schon aus den gerade in jüngster Zeit gestiegenen Anforderungen des Datenschutzrechts geändert.
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:
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