rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Blogübersicht < Blogbeitrag

Größte Vorbehalte des BVerwG gegen Assessmentverfahren

Assessmentverfahren und andere Auswahlverfahren wie „Strukturierte Interviews“ etc. sind stets nur Momentaufnahmen, die für eine sachgerechte Einschätzung der Leistungen nur in ganz seltenen Ausnahmen herangezogen werden dürfen, wenn aktuelle oder frühere Beurteilungen nicht mehr aussagekräftig sind.

Basslsperger_100x100px_rund_min.png
5 Bewertungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Personalauswahl nach dem Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG (Bestenausleseprinzip) ist an bestimmte Regelungen gebunden. Eine andere Ansicht würde nicht nur diesem Prinzip diametral entgegenstehen, sie würde dem Dienstherrn eine völlige Entscheidungsfreiheit nach dem Motto zuerkennen:

Den wollen wir, den nehmen wir!

Darauf hat das BVerwG in seinem Beschluss vom 20.5.2025 – 2 VR 3.25 – erneut und mit Nachdruck hingewiesen.

Folgende Aussagen des BVerwG sind hier von besonderer Bedeutung:

  • Der Nachweis von Führungseignung darf nach dem BVerwG nicht zur zwingenden Vorgabe eines Anforderungsprofils und damit zur Voraussetzung der Einbeziehung von Bewerbern in einem Assessment-Auswahlverfahren gemacht werden.

  • Außerdem müssen zwingende Vorgaben in einem Anforderungsprofil (hier: „Führungseigenschaft“) anhand objektiv überprüfbarer Kriterien feststellbar sein und dürfen nicht dem Beurteilungsspielraum des Dienstherrn – etwa in einem Assessmentverfahren – unterliegen.

  • Die Beurteilung der Ergebnisse eines Assessment-Centers fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit des Leiters der jeweiligen Behörde. Die Delegation der Aufgabe muss den sachlichen Zusammenhang ergänzender Auswahlinstrumente mit der Auswahlentscheidung und den diese vorbereitenden dienstlichen Beurteilungen wahren. Eine Auswahl unter Negierung dienstlicher Beurteilungen (etwa durch einen „Assessment-Profi“) ist vor diesem Hintergrund rechtswidrig.

Weiterhin führt das BVerwG aus:

(Rn. 36)
Der „verfahrensmäßigen Absicherung“ des Bewerbungsverfahrensanspruchs kommt eine wesentliche Bedeutung für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG zu (vgl. BVerfG vom 7. August 2024 – 2 BvR 418/24 – NVwZ 2024, 1832 Rn. 27). Dies gilt für die Einbeziehung von Prüfungen, Tests, Bewerbungsgesprächen oder anderen Assessmentverfahren in offenkundiger Weise. Anders als die über einen längeren Zeitraum durch die Vorgesetzten gewonnene Einschätzung von Leistungsbild und Entwicklungspotential in einer dienstlichen Beurteilung beruhen derartige Bewertungen nur auf einer Momentaufnahme und sind von der Einschätzung des zur Durchführung berufenen Gremiums geprägt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2024 – 2 VR 1.24 – NVwZ 2024, 1933 Rn. 32).

(Rn. 37)
Solche Auswahlinstrumente sind im Übrigen fehleranfällig, weil die Fragen und Aufgabenstellungen von Bewerbern, die ihren Abschnitt bereits absolviert haben, an andere Teilnehmer weitergegeben werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Durchführung der Tests oder Auswahlgespräche über mehrere Tage erstrecken.

Blogger-Bild_mitNews.png

News Beamtenrecht

Aktuell informiert.

Bleiben Sie mit unseren regelmäßigen aktuellen Beiträgen stets auf dem Laufenden rund um das Thema Beamten- und Beihilferecht.

Fazit:
Die Entscheidung des BVerwG ist gerade auch deswegen zu begrüßen, weil sie den durch die dienstliche Beurteilung für eine gewisse Dauer gezeigten Leistungen des Beamten den unbedingten Vorrang vor subjektiv gefärbten Entscheidungen einräumt und den evtl. sogar durch entsprechende Schulungen („Assessmenttraining“) trainierten „Kurzzeitblendern“ sowohl den Eingang in den öffentlichen Dienst, als auch das Aufrücken in der Statushierarchie wesentlich erschwert.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

Literaturhinweis:

Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 96ff. zu § 9 BeamtStG

Quiz Beamtenrecht

Kennen Sie sich mit den Besonderheiten im Beamtenrecht aus? Wissen Sie beispielsweise, was passiert, wenn ein verbeamteter Mitarbeiter unterhälftige Teilzeitbeschäftigung begehrt?

Diese und weitere Fragen können Sie in unseren Online-Quizzen lösen. Testen Sie jetzt Ihr Wissen!

18852-HJR-Website-Bebilderung-quiz-icon-freigestellt.png
18469-HJR-Website2023-04-RZ-Newsletter.webp

Beste Antworten.

Newsletter Beamtenrecht

Seien Sie zu den beiden Themen Beamtenrecht und Beihilferecht immer informiert und auf den neuesten Stand. Mit Inhalten aus unseren Blogs, Newsbeiträgen und aktuellen Produkten aus dem rehm-Shop.

Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
1 Kommentar zu diesem Beitrag
kommentiert am 23.10.2025 um 12:07

Das Urteil und dessen Ausführungen zu beamtenrechtlichen Gegebenheiten steht gewiss im Einklang mit geltendem Recht, keine Frage. Dem Gericht ist insoweit nichts vorzuwerfen. Doch sollten wir uns nicht hinterfragen, ob dieses - leider in vielen Bereichen - wenig modern wirkende öffentliche Dienstrecht insbesondere auch in dieser Frage einer kritischen Neubewertung und endlich einer Transformation ins 21. Jahrhundert bedarf? Branchenübergreifend und von fachlichen Experten anerkannte Personalauswahlinstrumente wie Assessment Center (AC) als bloße Momentaufnahme ohne Aussagekraft zu sehen und als Gegebenheit in den Raum zu stellen, Assessment-Center seien das Einfallstor für subjektive und zielorientierte Auswahlwahlentscheidungen halte ich für einseitig und sachfremd. Zudem diskreditiert es die daran Teilnehmenden, auch die an gut vorbereiteten und professionell durchgeführten Auswahlverfahren teilnehmenden Vertreter nach dem Personalvertretungs-, Gleichstellungs- und Schwerbehindertenrecht. Gerade auch diese im Interesse von Beschäftigten tätigen Funktionäre sollen eine möglichst objektive Auswahlentscheidung garantieren. Nicht nur, dass man den aktuellen rechtlichen Gegebenheiten entgegenhalten muss, dass auch dienstliche Beurteilungen durch Beurteilende subjektiv geprägt sind und es bedauerlicherweise noch immer in vielen öffentlichen Institutionen und Behörden kein Beurteilungssystem und damit keine Regelbeurteilung gibt, stellt gerade die Schaffung von Vergleichbarkeit von Beurteilungen aus unterschiedlichen Beurteilungs- und damit Wertungssystemen die Akteure in Personalentwicklung und Personalabteilung vor Probleme und schafft damit schwer zu lösende Herausforderungen. Auch die Vielzahl der Beurteilenden und deren unstreitbar sehr unterschiedlich ausgeprägter Grad der Fähigkeit zu Objektivität ist kritisch zu betrachten, denn genau diese Unbekannte vermeidet man gerade auch bei der Personalauswahl durch strukturierte AC. Im Übrigen sind gerade geschickt gestaltete AC dazu geeignet, gerade auch die als "Kurzzeitblender" bezeichneten Bewerber zu entlarven. Ich bin kein Gegner von dienstlichen Beurteilungen, ganz im Gegenteil. Ebenso sind sie - in einer ersten Stufe - zur Auswahl von Bewerbern in einem Stellenbesetzungsverfahren heranzuziehen. Im Rahmen von zwei- oder mehrstufigen Verfahren spricht sehr viel dafür, in einer zweiten Stufe die Eignung aller in etwa nach Akten- bzw. Beurteilungslage gleich geeignet erscheinenden Bewerber in einem AC unter Berücksichtigung des konkreten Anforderungsprofils der vakanten Position und der hierfür erforderlichen Kompetenzen zu prüfen. Abschließend werfe ich - auch mit Blick auf den Artikel zu der erst nach 15 Jahren im Krankenstand zu einer amtsärztlichen Untersuchung aufgeforderten Beamtin - die Frage in den Raum, ob nicht auch durch diese antiquierte, zumindest aber eingestaubte Dienstrechtsgestaltung das Ansehen des Berufsbeamtentums im öffentlichen Raum krankt und oftmals in der Öffentlichkeit belächelt wird.
SX_LOGIN_LAYER