Liebe Leserin, lieber Leser,
die Promotionsmöglichkeiten für FH-Absolventen haben sich durch die Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen (Bachelor/Master) wesentlich verbessert. Seit der Umsetzung der Bologna-Erklärung ist in vielen Ländern das Promotionsrecht auch an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (= Fachhochschulen) vorgesehen.
Den ersten Schritt in diese Richtung machte Baden-Württemberg bereits im Jahr 2014. Die Umsetzung erfolgte aber erst später. Das Land verlieh das Promotionsrecht an den gemeinsamen „Verband der Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW)“. Insofern wird ein besonderer Weg für Fachhochschulabsolventen zur Promotion eröffnet und die FH als wissenschaftliche Institution zugleich gestärkt1. Auch in Sachsen-Anhalt kann der Doktorgrad nicht nur an Universitäten, sondern auch an Promotionszentren der Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) erworben werden2.
Hessen war 2016 nach einer Veröffentlichung der „Zeit“3 das erste Bundesland, in dem die Gesetzesänderung dann tatsächlich Anwendung fand. In sieben Promotionskollegs von hessischen FHs kann inzwischen der Doktortitel erworben werden. In NRW kann ein sog. „Promotionskolleg“ den Doktorgrad auch an FH-Absolventen verleihen4. Schon jetzt ermöglicht etwa die FH Münster ein kooperatives Promotionsverfahren, bei dem ein Professor der Fachhochschule und ein Universitätsprofessor die Betreuung und Prüfung gemeinsam übernehmen5. Bei einem solchen Verfahren wird die Universität zumindest nicht generell vom Promotionsverfahren ausgeschlossen.
In Bayern besteht mit dem „BayHIG“ seit 1.1.2023 ein neues Hochschulrecht (siehe dazu den Beitrag: Neues Hochschulrecht in Bayern)
Art. 97 Abs. 1 Nr. 1 BayHIG lautet:
„1Die Promotion dient dem Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit und beruht auf einer selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit (Dissertation), …. 2Sie setzt in der Regel ein mit einer Prüfung erfolgreich abgeschlossenes Studium in einem Masterstudiengang im Sinne von Art. 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 an einer Universität oder Hochschule für angewandte Wissenschaften voraus.“
Art. 96 Abs. 7 bestimmt:
„1Das Staatsministerium kann Hochschulen für angewandte Wissenschaften ein befristetes, fachlich begrenztes Promotionsrecht für wissenschaftliche Einrichtungen verleihen, wenn diese in einem Begutachtungsverfahren eine angemessene Forschungsstärke sowie die Einbettung der wissenschaftlichen Qualifizierung in eine grundständige akademische Lehre nachweisen. 2Insbesondere werden dabei berücksichtigt:
1. die Qualifikation der der Einrichtung zugeordneten Professorinnen und Professoren, die mindestens die durch die Qualität einer Promotion nachgewiesene besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit und nicht länger als fünf Jahre zurückliegende herausragende Leistungen in der anwendungsbezogenen Forschung umfassen muss, sowie
2. eine für die Sicherung der wissenschaftlichen Produktivität und Wirksamkeit hinreichende Anzahl der der Einrichtung zugeordneten Professorinnen und Professoren.
3Das Nähere zu Verleihung, Kriterien und Verfahren regelt das Staatsministerium durch Rechtsverordnung.“
Konsequenz:
Absolventen einer Hochschule für angewandte Wissenschaften, die sich für den Erwerb eines Doktortitels interessieren, sollten sich bei ihrer jeweiligen Hochschule rechtzeitig darüber informieren, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Promotionsmöglichkeit für sie besteht.
Ob die Übertragung des Promotionsrechts auf die Fachhochschulen = Hochschulen für angewandte Wissenschaften richtig ist, mag jeder für sich entscheiden. Universitäten und Fachhochschulen besitzen beide ihre absolute Berechtigung in der deutschen Bildungslandschaft. Es kann jedenfalls nicht bestritten werden, dass ein Arbeitgeber einem Absolventen, der im Rahmen der „angewandten Wissenschaft“ bestmöglich auf seinen künftigen Beruf vorbereitet wurde, den Vorzug geben wird und das auch ohne Doktortitel, auf den durch die zahlreichen Beispiele von Politikern ja sowieso ein zunehmend schlechtes Licht geworfen wird.
Lesen Sie dazu den Beitrag mit dem Titel:
Kritik an der Nivellierung der Bildungslandschaft
Art. 96 Abs. 1 Satz 4 BayHIG lautet:
„Der Diplomgrad erhält bei Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften und entsprechenden Studiengängen an anderen Hochschulen den Zusatz „(FH)“, bei Absolventinnen und Absolventen universitärer Studiengänge den Zusatz „(Univ.)“.“
So manche Universität empfiehlt ihren Promovierten nicht nur den Titel, sondern diesen gemeinsam mit dem Zusatz „univ.“ zu führen, um einen Qualitätsunterschied zu dokumentieren. Mit einem solchen Zusatz lassen sich im Übrigen auch die akademischen Würden der Universitätsprofessoren von denen der Fachhochschulprofessoren unterscheiden. Dieser Zusatz ist zwar nicht vorgeschrieben, aber (noch) erlaubt und er dient der klaren Unterscheidung, weil ein Zusatz „Fachhochschule“ bei einem Doktor- oder Professorentitel nicht erforderlich ist.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu:
Literaturhinweis:
Zum neuen bayerischen Hochschulrecht siehe Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Rn. 1ff. zu § 61 BeamtStG
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