23.09.2025
Liebe Leserin, lieber Leser,in meinem heutigen Blog darf ich Sie über eine spannende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16.05.2025, Az. 14 SLa 838/24 E informieren. Das Gericht hat sich mit der für die Praxis sehr wichtigen Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen ein Beschäftigter von der Angestelltenprüfung II befreit ist.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist seit dem 12.11.1992 durchgehend bei der Beklagten beschäftigt. Sie übt seit März 2022 unstrittig Tätigkeiten aus, die dem Grunde nach der Entgeltgruppe 9c entsprechen. Gleichwohl wurde sie lediglich in die Entgeltgruppe 9b eingruppiert und entsprechend bezahlt.
Zwischen den Parteien war allein strittig, ob die Klägerin gemäß Nr. 7 der grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zur Entgeltordnung (VKA) von der in Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 vorgesehenen Ablegung der zweiten Prüfung (Angestelltenlehrgang II) gemäß Abs. 5 Buchst. a wegen ihrer langjährigen durchgehenden Beschäftigung bei der Beklagten befreit ist.
Im Verfahren stritten die Parteien daher über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 9c TVöD VKA statt der inzwischen gewährten Entgeltgruppe 9b.
Sowohl das Arbeitsgericht Oldenburg als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gaben der Klage statt.
Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe:
Für eine Eingruppierung in eine der Entgeltgruppen 5 bis 9a sei eine Erste Prüfung, für die Eingruppierung in eine der Entgeltgruppen 9b bis 12 eine Zweite Prüfung abzulegen (Nr. 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 der grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zur Entgeltordnung – VKA).
Hinweis! Die Lehrgänge und Prüfungen werden bei den durch die Länder oder durch die kommunalen Spitzenverbände anerkannten Verwaltungsschulen oder Studieninstitute durchgeführt (s. Satz 1 der Protokollerklärung zu den Absätzen 1 und 2).
Nach Nr. 7 Abs. 5 Buchst. a der grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zur Entgeltordnung (VKA) seien Beschäftigte mit einer mindestens zwanzigjährigen Berufserfahrung bei einem Arbeitgeber, der vom Geltungsbereich des TVöD oder eines vergleichbaren Tarifvertrages erfasst wird, oder bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber allerdings von der Ausbildungs- und Prüfpflicht befreit.
Unter dem Begriff „Berufserfahrung“ sei entgegen der Ansicht der Beklagten keine sogenannte „einschlägige“ Berufserfahrung zu verstehen.
Hinweis! Einschlägige Berufserfahrung ist eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit." Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Beschäftigte demgemäß in der früheren Tätigkeit einen Kenntnis- und Fähigkeitszuwachs erworben haben, der für die nach der Einstellung konkret auszuübende Tätigkeit erforderlich und prägend ist und ihm damit weiterhin zugutekommt (s. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TVöD Bund).1
Denn die streitgegenständliche Ausnahmeregelung des Abs. 5 Buchst. a verzichte gerade auf das Adjektiv „einschlägig“. Dementsprechend müsse allgemein davon ausgegangen werden, dass die Vorschrift nicht voraussetzt, die Erfahrung müsse in einem einschlägigen Beruf oder in der Verwaltung erworben sein. Es komme zudem auch nicht darauf an, ob die Erfahrung in Teilzeit oder Vollzeit erworben wurde.
Hinweis! Liegen die Voraussetzungen vor, ist die Befreiung von der Ausbildungs- und Prüfpflicht tariflich verbindlich vorgeschrieben.
Die Tarifvertragsparteien hätten bewusst davon abgesehen, die Berufserfahrung zu der Eingruppierungsregelung in Beziehung zu setzen, deren Voraussetzungen der jeweilige Arbeitnehmer erfüllt. Die Tarifvertragsparteien gingen damit ersichtlich davon aus, dass eine mindestens zwanzigjährige berufliche Tätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrages einen solchen Erfahrungsschatz vermittelt, der es rechtfertigt, von einer ansonsten vorgesehenen zweiten Prüfung abzusehen.
Da die Klägerin damit im Hinblick auf ihre langjährige Berufserfahrung von der Ausbildungs- und Prüfpflicht befreit gewesen ist, war die Klägerin in die Entgeltgruppe 9c TVöD- VKA einzugruppieren.
Fazit für Sie!
Übertragen Sie einem Beschäftigten Tätigkeiten einer höheren Entgeltgruppe und ist dieser von der Ausbildungs- und Prüfpflicht befreit, ist der Beschäftigte aufgrund der bestehenden Tarifautomatik in die entsprechende Entgeltgruppe eingruppiert, da die Eingruppierung der Aufgabenübertragung folgt.
Sie können bei der Ausschreibung einer bestimmten Stelle bei Vorliegen von hinreichenden Sachgründen auf das Ablegen der ersten oder zweiten Prüfung als zwingendes Anforderungsmerkmal bestehen.
Herzliche Grüße
IhrBoris Hoffmann
1 Zum TV-L s. BAG 29.6.2022 – 6 AZR 475/21, ZTR 2022, 660.Blogübersicht < BlogbeitragUnter welchen Voraussetzungen ein Beschäftigter von der Prüfungspflicht zum Angestelltenlehrgang II befreit ist.Quizze zum Arbeits- und Tarifrecht
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