Arbeitszeitkonto

Beitrag aus Breier/Dassau TVöD Kommentar

Was ist ein Arbeitszeitkonto?

(1) Arbeitszeitkonten dienen der Arbeitszeitflexibilisierung und erfassen die geleisteten Arbeitsstunden, um einerseits eine Kontrolle der Arbeitszeit zu gewährleisten, andererseits die Einhaltung der tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit abzubilden. Ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und kann abhängig von der näheren Ausgestaltung in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrücken (BAG vom 10.11.2010 – 5 AZR 766/09 – ZTR 2011, 180; vom 28.7.2010 – 5 AZR 521/09 – ZTR 2010, 645; vom 26.1.2011 – 5 AZR 819/09 – ZTR 2011, 444). Auch ein Gleitzeitkonto dient in diesem Sinn dem Ausgleich der Arbeitszeit. Ausgleichszeitraum ist der Jahreszeitraum gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD

(2) Mit zunehmender Arbeitszeitflexibilisierung haben Arbeitszeitkonten in der betrieblichen und behördlichen Praxis ständig an Bedeutung gewonnen. Unter dem Begriff „Arbeitszeitkonto“ werden heute die verschiedensten Arbeitszeitmodelle realisiert. Der Umfang und die Regelungsinhalte von Arbeitszeitkonten haben sich kontinuierlich fortentwickelt. Die Entwicklung begann mit einfachen Zeitkonten, auf denen Zeitguthaben und -schulden saldiert und in bestimmten Grenzen fortgeschrieben wurden; diese wurden dann auf das Kalenderjahr erweitert und existieren heute in Form von umfassenden Zeitkonten mit längerfristiger Ausgleichsperspektive.

(3) Der TVöD schafft für den Tarifbereich des öffentlichen Dienstes mit § 6 Abs. 2 und § 10 TVöD tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeitkonten.

(3.1) Das in § 10 TVöD vorgesehene Arbeitszeitkonto ist nicht mit diesen der Erfassung der Arbeitszeit dienenden Ausgleichskonten identisch. Das Arbeitszeitkonto nach § 10 TVöD ist eine Gegenleistung der Arbeitgeberseite gewesen, um die erhöhten Flexibilisierungsmöglichkeiten der Arbeitszeit für die Arbeitnehmerseite attraktiv zu gestalten. Es soll die Zeiten erfassen, die – anstelle einer Auszahlung – von den Beschäftigten „angespart“ werden, um sie soweit wie nach dem betrieblichen Ablauf möglich im persönlichen Interesse der Beschäftigten zu anderen Zeiten abfeiern zu können (verstärkte Arbeitszeitsouveränität der Arbeitnehmer). Das Arbeitszeitkonto in diesem Sinn dient nicht dem Jahresausgleich gem. § 6 Abs. 2 TVöD, sondern der Umwandlung von Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers in Zeit.

(3.2) Bestehende Gleitzeitregelungen, die vor dem Inkrafttreten des TVöD vereinbart worden sind, bleiben nach der Protokollerklärung zu Abschnitt II TVöD gültig; eine Anpassung an die Vorgaben des § 10 TVöD ist nicht erforderlich und auch nicht empfehlenswert, da im Rahmen einer Gleitzeitregelung Zeitausgleichskonten geführt werden, deren Überführung in ein Konto nach § 10 TVöD der Flexibilisierung der Arbeitszeit zuwiderlaufen würde. Es ist allerdings möglich, neben der Gleitzeitregelung ein Arbeitszeitkonto nach § 10 TVöD einzurichten, auf das Zeiten gebucht werden, die in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung hierfür freigegeben werden. Auch können Gleitzeitkonten auf Basis des § 6 Abs. 2 TVöD neu eingeführt werden.

(4) Die Arbeitszeitkonten können als „Ist-Konten“ oder als „Plan-Konten“ geführt werden. Beim „Ist-Konto“ wird die Differenz zwischen der tatsächlich geleisteten und der Soll-Arbeitszeit gebucht (z. B. nach TVöD 38,5 Stunden wöchentlich bzw. bei einer 5-Tage-Woche mit gleichmäßiger Verteilung 7,7 Stunden täglich). Kurzzeitkonten werden heute in der Regel in dieser Form geführt. Bei „Plan-Konten“ wird die für einen längeren Zeitraum vereinbarte planmäßige Differenz zwischen durchschnittlich zu leistender Arbeitszeit und Vertragsarbeitszeit gutgeschrieben. So lassen sich längerfristige Freistellungen vereinbarungsgemäß ansparen (z. B. können Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren, dass die Beschäftigung über einen Zeitraum von vier Jahren als Teilzeitarbeitsverhältnis mit ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abgewickelt wird, der Beschäftigte aber drei Jahre vollbeschäftigt eingesetzt ist und im vierten Jahr durch das planmäßige Ansparen ein sog. Sabbatjahr nimmt).

(5) Aus der Entwicklung der Arbeitszeitkonten lassen sich zwei Grundtypen von Zeitkonten abgrenzen:

  • das Kurzzeitkonto (Jahresausgleichskonto auf Basis des § 6 Abs. 2 TVöD),
  • das Langzeitkonto (§ 10 TVöD).

1.1 Das Kurzzeitkonto (Jahresausgleichskonto)

(6) Beim Kurzzeitkonto (= Jahresarbeitszeitkonto) wird in aller Regel der herkömmliche Wochenbezug durch einen Jahresbezug hinsichtlich des vertraglich oder tariflich vereinbarten Arbeitszeitvolumens mit dem Ziel einer flexiblen Verteilung der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der betrieblichen/dienstlichen Gegebenheiten ersetzt. Das Kurzzeitkonto kann vom Charakter verglichen werden mit einem „Girokonto“.

(6.1) Es ist nicht mit dem Arbeitszeitkonto nach § 10 TVöD identisch, welches vorrangig dazu dient, Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer in Zeitkontingente umzuwandeln. Die Notwendigkeit des Jahresausgleichskontos ergibt sich aus der Möglichkeit, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Jahres zu erreichen (§ 6 Abs. 2 TVöD), also die Arbeitszeit über das Jahr flexibel zu verteilen. In Schichtsystemen mit im Verhältnis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit Über- oder Unterplanungen im Schichtplanturnus ist ein solches Jahresausgleichskonto beispielsweise unerlässlich, um Plus- oder Minusstunden zu dokumentieren.

(7) Das Kurzzeitkonto verfolgt dabei die Ziele, Ausgleichsmöglichkeiten für Beschäftigungsschwankungen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu schaffen, den Arbeitnehmern in bestimmten Grenzen die individuelle Arbeitszeit selbst zu überlassen (Beginn, Ende, Pausen) und damit auch zusätzliche freie Stunden oder Tage zu erwirtschaften, und gestattet einen fortlaufenden Zeitausgleich (Aufbau von Guthaben, Abbau von Guthaben durch Freizeitausgleich u. Ä.).

(7.1) Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird regelmäßig das Arbeitszeitkonto geschlossen, und zwar mit dem Stand, den es zu diesem Zeitpunkt hat, ein Freizeitausgleich ist nach dem Ausscheiden des Beschäftigten nicht mehr möglich (BAG v. 26.6.2013 – 5 AZR 428/12 – ZTR 2013, 683). Wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist, enthält die einvernehmliche Errichtung eines Arbeitszeitkontos die konkludente Abrede, dass das Konto spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen ist (BAG v. 13.12.2000 – 5 AZR 334/99 – zu II 2 c der Gründe – juris). Soweit der gesetzliche Mindestlohn betroffen ist, sieht § 2 Abs. 2 Satz 2 MiLoG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch vor. Regelmäßig will weder der Beschäftigte dem Arbeitgeber vorgeleistete Arbeit „schenken“ noch der mit der Zahlung einer verstetigten Vergütung vorleistende Arbeitgeber auf eine finanzielle Erstattung seiner Vorschussleistung verzichten (zu Letzterem vgl. BAG v. 13.12.2000 – 5 AZR 334/99 – juris). Gelingt es vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht, ein positives Guthaben des Arbeitnehmers durch entsprechende Freizeit abzubauen, hat der Arbeitgeber den Positivsaldo finanziell auszugleichen (BAG v. 20.11.2019 – 5 AZR 578/18 – juris).

(7.2) Freizeit ist im arbeitsrechtlichen Sinne das Gegenteil von Arbeitszeit (BAG v. 17.3.2010 – 5 AZR 296/09 – juris). Die Erfüllung des Freizeitausgleichsanspruchs erfolgt daher durch Freistellung des Beschäftigten von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen. Die Umsetzung erfolgt dadurch, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten zum Abbau eines vorhandenen Freizeitguthabens an Tagen, die für diesen „an sich“ Arbeitstage wären, von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen, befreit (BAG v. 11.2.2009 – 5 AZR 341/08 – juris; BAG v. 17.3.2010 – 5 AZR 296/09 – juris; BAG v. 20.9.2019 – 5 AZR 578/18 –juris).

(7.3) Ist zugunsten des Beschäftigten ein Saldo auf dem Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesen und bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch bezahlte Freizeit oder zusätzliches Entgelt abgebaut worden, sind die Guthabenstunden streitlos gestellt und müssen nicht innerhalb einer Ausschlussfrist wie der in § 37 TVöD geltend gemacht werden (BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17 – ZTR 2018, 736). Die Notwendigkeit zur Geltendmachung des auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Guthabens lebt auch nicht wieder auf, wenn sich dieses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch wandelt (v. BAG 23.9.2015 – 5 AZR 767/13 – juris; BAG v. 20.11.2019 – 5 AZR 578/18 –juris).

(7.3) Auch der Ausgleich von unterschiedlichem Arbeitsanfall im Jahresverlauf ist denkbar. Das Konto kann z. B. als Puffer für jahreszeitlich bedingten unterschiedlichen Arbeitsanfall (z. B. im Winterdienst in der Straßenmeisterei) dienen und damit Unterauslastung oder Kurzarbeit zu bestimmten Zeiten vermeiden helfen.

(7.4) Eine Zielsetzung kann auch darin bestehen, Mehrarbeit nicht mehr in Entgelt vergüten zu müssen, sondern eine entsprechende Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto vorzunehmen, die später durch Freizeit wieder ausgeglichen werden kann. Bei diesem Verfahren müssen die Beteiligten allerdings das Schicksal des Überstundenzuschlags regeln.

1.2 Das Langzeitkonto

(8) Bei Langzeitkonten (= Lebensarbeitszeitkonto) geht es regelmäßig um das Ansparen von Zeitguthaben, um eine spätere Freistellung von der Arbeitsleistung zu ermöglichen. Damit wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eines zeitweiligen Ausstiegs aus dem Berufsleben (Sabbatjahr, Langzeiturlaub, Weiterbildung u. Ä.) eröffnet oder auch der vorzeitige (Teil-)Ruhestand bei im Gesamtzeitraum verstetigtem Einkommen.

(9) Das Langzeitkonto verfolgt dabei die Ziele der Beschäftigungssicherung, Förderung von Teilzeit-Modellen, Realisierung von zeitintensiven persönlichen Qualifizierungsmaßnahmen u. Ä. Die Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer kann damit flexibler gestaltet werden, was mehr Zeitsouveränität und bessere Anpassung des Berufsalltags an verschiedene Lebensphasen ermöglicht (Kindererziehung, berufliche Entwicklung u. Ä.).

(9.1) Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 21.12.2008 (FlexiG II; BGBl. I S. 2940) hat der Gesetzgeber neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Zeitwertkonten geschaffen. Insbesondere beinhaltet § 7b SGB IV eine gesetzliche Definition des Begriffs der Wertguthaben. Das Wertguthaben i. S. des § 7b SGB IV ist die Voraussetzung für das Vorliegen von Langzeitkonten. Auf die ausführliche Kommentierung in Erl. 7 wird hingewiesen.


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