Liebe Leserin, lieber Leser,
hatten Sie vielleicht eine Reise gebucht und konnten Sie diese aufgrund der Corona-Pandemie nicht antreten und was geschieht mit den „nutzlosen“ Urlaubstagen? Können Sie den Resturlaub auf das Folgejahr übertragen? Dies scheinen Fragen zu sein, deren Beantwortung für die Leser von besonderer Wichtigkeit ist.
Hierbei sind mehrere Fallkonstellationen möglich:
Wurde der Urlaub ordnungsgemäß beantragt und vom Dienstherrn bereits bewilligt, so muss er auch dann zum vorgesehenen Zeitpunkt eingebracht werden, wenn die geplante Auslandsreise nicht angetreten werden konnte. Der Grund hierfür liegt darin, dass dem Dienstherrn zum einen die Organisationshoheit zusteht und der Urlaubszweck „Erholung“ zum anderen nicht nur bei einer solchen Reise gewährleistet ist.
Wünscht der Beamte aus wichtigen Gründen den Urlaub hinauszuschieben oder abzubrechen, so ist dem Wunsche nach § 8 Abs. 2 EUrlV und dem jeweiligen Landesrecht zu entsprechen, wenn dies mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist und die Arbeitskraft des Beamten dadurch nicht gefährdet wird. Diese Vorschrift geht dabei von einem bereits angetretenen Urlaub aus, wobei – wie etwa das bayer. Landesrecht (vgl. § 18 Abs. 3 UrlMV) dies ausdrücklich bestimmt – auch eine „Verlegung“ des noch nicht angetretenen Urlaubs sinngemäß einzubeziehen ist. Nach der UrlMV muss dafür zwar ein „wichtiger Grund“ in der Sphäre des Beamten gegeben sein, wovon man bei den Unwägbarkeiten der Corona-Krise aber wohl ausgehen kann.
Hier kann der Urlaubsantrag nach den Grundsätzen des „mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts“ bis zur Bekanntgabe der Genehmigung ohne Weiteres zurückgenommen werden.
Problem:
Fraglich ist hier, wie zu verfahren ist, wenn nach der Verwaltungspraxis einer Behörde regelmäßig davon ausgegangen wird, dass ein beantragter Urlaub „als genehmigt gilt“, wenn der Beamte bis zu seinem Urlaubsantritt keine gegenteilige Nachricht erhält. In diesem Fall wird man davon ausgehen können – und müssen – dass der Antrag bis zum Urlaubsantritt zurückgenommen werden kann aber auch muss. Tritt der Beamte ohne Rücknahme des Antrags seinen Dienst an und widerspricht der Dienstherr dem nicht, so liegen sogenannte „konkludente“ Handlungen vor: Der Dienstantritt ist als Antrag auf Widerruf der Genehmigung zu werten. Widerspricht die Personalverwaltung diesem Dienstantritt nicht, so gilt der konkludente Antrag auf Widerruf der Genehmigung auch konkludent als genehmigt. Die Personalverwaltung sollte dies zur Sicherheit in der Urlaubsakte vermerken.
Während die unter 1. dargestellte Problematik sich nach gegenwärtigem Stand eher auf die zurückliegende „Hochphase“ der Pandemie und – was uns allen erspart bleiben möge – auf eine evtl. eintretende zweite Welle bezieht, geht es nunmehr um die aktuelle Fragestellung der Übertragung und des Verfalls des Erholungsurlaubs. Auch dabei bestehen mehrere Aspekte:
Der Erholungsurlaub „soll“ im Kalenderjahr eingebracht werden (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 EUrlV und die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen). Das Urlaubsjahr ist dabei grundsätzlich das Kalenderjahr (§ 1 Satz 1 EUrlV). Auch wenn eine landesrechtliche Urlaubsverordnung keine ausdrückliche Bestimmung enthält, ist von dieser grundsätzlichen Bedeutung auszugehen.
Für den Arbeitnehmerbereich findet § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG Anwendung:
„Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden.“
Die Verfallvorschriften sind in den einzelnen Verordnungen unterschiedlich geregelt: Nach dem Bundesbeamtenrecht verfällt Urlaub, der nicht innerhalb von zwölf Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres in Anspruch genommen worden ist (§ 7 Abs. 2 EUrlV). Das Landesrecht kann hier anders ausgestaltet sein. In Bayern verfällt Urlaub, der nicht bis zum 30. April des folgenden Jahres angetreten ist (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UrlMV). Etwas anderes gilt nur, wenn eine Ansparung des Urlaubs bereits genehmigt wurde (§ 8 UrlMV).
Hinweis:
Konnte der Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht eingebracht werden, so gelten hier die europarechtlichen Grundsätze. Vgl. dazu die Beiträge:
Urlaubsrecht (I): EuGH bestätigt Kommentarmeinung bei Hüthig-Jehle-Rehm
Urlaubsrecht (II): EuGH bestätigt Kommentarmeinung bei Hüthig-Jehle-Rehm
Die Übertragung des Resturlaubs ist bei Beamten grundsätzlich bis zum oben genannten Verfallszeitpunkt ohne Weiteres möglich.
Für den Arbeitgeberbereich greift§ 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG:
„Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.“
Die Urlaubsübertragung bedarf dazu – im Gegensatz zur „Ansparung“ (vgl. etwa § 8 UrlMV) – keines Antrags des Beamten, wenn dies nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist. Deswegen ist es bei vielen Behörden üblich, eine Übertragung bis zur Verfallsgrenze „automatisch“ vorzunehmen. Damit wird – contra legem – das Urlaubsjahr entgegen des unter a) dargestellten Grundsatzes de facto verschoben. Geschieht dies über einen längeren Zeitraum hinweg, so wird man wie im Arbeitsrecht von einer „Betrieblichen Übung“ ausgehen dürfen, auf die sich der Beamte schon aufgrund des Fürsorgegedankens (§ 45 BeamtStG/§ 78 BBG) verlassen darf.
Von dieser „Betrieblichen Übung“ kann nur aus wichtigen Gründen abgewichen und ggf. ein Antragserfordernis für die Beamten statuiert werden. Einen solchen Grund können dabei auch die Folgen für die jeweilige Dienststelle darstellen, die sich wegen der Corona-Krise ergeben. Ob tatsächlich ein solcher sachlicher Grund vorliegt, kann sich also von Behörde zu Behörde unterscheiden. Dabei besteht der Grundsatz, dass das Organisationsrecht beim Dienstvorgesetzten liegt, dem hier eine „Einschätzungsprärogative“ zukommt.1
Dem Personalrat steht bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze nach § 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG ein Mitbestimmungsrecht zu (Berg in Altvater u.a., BPersVG, § 75, Rn. 139). Ein Mitbestimmungsrecht besteht auch bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Erholungsurlaubs für einzelne Beschäftigte, wenn zwischen dem Dienststellenleiter und den beteiligten Beschäftigten kein Einverständnis erzielt wird.
Der öffentliche Dienst hat während der Corona-Pandemie erneut bewiesen, dass seine Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung und Sicherung in allen Bereichen der Verwaltung unverzichtbar sind. Unser öffentlicher Dienst ist dabei aber immer nur so gut wie seine Beschäftigten – ob Angestellte oder Beamte. Die Vorgesetzten könnten die ihnen obliegenden Fürsorgepflichten jetzt dadurch umsetzen, dass sie die während der Krise erbrachten Leistungen von Beamten und Angestellten entsprechend honorieren und das wird in besonderem Maße der Motivation aller Mitarbeiter zugutekommen. Dies gilt gerade auch beim Urlaubsrecht hinsichtlich einer großzügigen Auslegung der Regelungen zur Verschiebung, Ansparung und Übertragung von Erholungsurlaub, der wegen der Pandemie nicht wie geplant eingebracht werden konnte.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Als Einschätzungsprärogative wird allgemein das Vorrecht eines Gesetzgebers bezeichnet, über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung zur Erreichung eines legitimen Ziels letztverbindlich zu entscheiden.
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:
Literaturhinweis:
Zum Urlaubsrecht in Zusammenhang mit Corona vgl. insbesondere:
Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Art, 93 BayBG, Rn. 60, 72 und 114 ff. (Die Ergänzung wird bei der 216. AL aufgrund dieses Beitrags eingefügt).
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