Liebe Leserin, lieber Leser,
in einer viel beachteten Entscheidung hat sich das BVerfG zu der Problematik des Rechtsschutzes gegen eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstunfähigkeit geäußert (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – ZBR 2022, 160). Siehe dazu den Beitrag: Rechtsmittel gegen eine Untersuchungsanordnung – Teil I: Zulässigkeit.
Hierbei darf nicht übersehen werden, dass sich aus dieser Entscheidung des BVerfG nur die Zulässigkeit des Sicherungsantrags nach § 123 Abs. 1 VwGO ergibt. Der Erfolg eines Rechtsbehelfs setzt aber in jedem Fall auch seine Begründetheit voraus.
Es gilt folgender Grundsatz:
Begründet ist der Rechtsbehelf gegen eine Untersuchungsanordnung dann, wenn sich diese tatsächlich als rechtswidrig darstellt.
Letztendlich ist hinsichtlich der Begründetheit und damit des Erfolgs dieses Antrags stets gemäß dem im Einzelfall zugrunde liegenden Sachverhalt zu entscheiden. Zur Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung bestehen die folgenden, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Verstößt die Anordnung des Dienstvorgesetzten also gegen einen dieser Grundsätze, so ist der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auch erfolgreich:
Einer Untersuchungsanordnung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen (Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 25a zu § 26 BeamtStG).
Aufgrund dieser auf gewichtigen, tatsächlichen Umständen basierenden Feststellungen muss zweifelhaft sein, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen in der Lage ist, die Dienstpflichten seines Amtes im abstrakt-funktionellen Sinn auf Dauer zu erfüllen. Davon ist auszugehen, wenn solche Umstände vorliegen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig.
Der Beamte muss anhand der Begründung des Dienstvorgesetzten dessen Auffassung nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind. Die Untersuchungsanordnung muss deshalb Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Nur wenn nach der Anordnung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen.
Infolgedessen muss sich der Dienstvorgesetzte auch mit von dem Beamten vorgelegten Bescheinigungen auseinandersetzen, die unter Umständen eine Untersuchung – ganz oder teilweise – entbehrlich machen können, und er muss sich bereits im Vorfeld des Erlasses – gegebenenfalls nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung – zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind.
Die Behörde muss sich mit den vom Beamten vorgelegten Bescheinigungen auch insofern auseinandersetzen, als diese unter Umständen eine Untersuchung – ganz oder teilweise – entbehrlich machen können.
Das BVerfG (Beschluss v. 21.10.2020 – 2 BvR 652/20) hat entschieden, dass eine Untersuchungsanordnung nur dann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, wenn ein hinreichender Anlass für diese Anordnung besteht und wenn sie in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, welches für die Feststellung der Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich ist. Im zugrunde liegenden Fall war bereits mit einem früheren amtsärztlichen Gutachten für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren die Dienstfähigkeit des Beamten verneint worden. Ein hinreichender Anlass für eine erneute Überprüfung während dieses Zeitraums bestand folglich nicht. Etwas anderes hätte sich nur ergeben, wenn sonstige Umstände den Schluss zugelassen hätten, dass das Ergebnis des ursprünglichen amtsärztlichen Gutachtens keinen Bestand mehr haben konnte.
Man wird auch dann von einem Erfolg des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO ausgehen können, wenn ein Personalvertretungsgesetz die Beteiligung der Personalvertretung bei einer Untersuchungsanordnung vorschreibt, diese Beteiligung aber unterblieben ist (unten 6.).
Für die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung durch die Einschaltung eines Facharztes gelten dabei strengere Voraussetzungen als für die Anordnung einer sonstigen ärztlichen Untersuchung. Bei einer fachpsychiatrischen Bewertung muss der Beamte Eingriffe in sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG zwar hinnehmen, eine solche Anordnung entspricht aber nur dann der Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) des Dienstherrn und ist damit nur dann rechtmäßig, wenn gewichtige Gründe hierfür vorliegen bzw. wenn deutlich erkennbare Anhaltspunkte für eine im geistigen, nervlichen oder seelischen Bereich begründete Dienstunfähigkeit des Beamten sprechen.
In Fällen einer erleichterten Dienstunfähigkeitsprognose (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) hat das BVerwG (Beschluss v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 –) entschieden, dass bei einer auf die gesetzliche Vermutungsregel bei längeren Fehlzeiten des Beamten gestützten Untersuchungsanordnung die allgemein zu Fällen einer Weisung zur Untersuchung in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen keine Anwendung finden. Dies gelte – so das BVerwG – auch für psychische Erkrankungen. Der Grund hierfür besteht darin, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten des gesetzlich geregelten Umfangs der eigentliche Anlass für die Untersuchungsanordnung seien. Eine entsprechende Weisung müsse deshalb keine Angabe von über die Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten hinausgehenden Gründen für die Untersuchung enthalten.
Das bedeutet in der Konsequenz: Der Dienstvorgesetzte muss insbesondere im Rahmen seiner Untersuchungsanordnung nicht darlegen, dass und warum die zugrunde liegenden Erkrankungen seiner Meinung nach Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten begründen.
Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO gegen die Untersuchungsanordnung wäre hier in jedem Fall unbegründet.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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