Staatsnote: Nur die Besten sollen Beamte werden
Liebe Leserin, lieber Leser,
das OVG NRW hat mit Beschluss vom 16.7.2020 – 1 A 341/20 – entschieden, die Justizverwaltung könne die Einstellung in den staatsanwaltlichen Probedienst grundsätzlich rechtsfehlerfrei an die notwendige Bedingung knüpfen, dass ein Bewerber in der zweiten juristischen Staatsprüfung ein überdurchschnittliches Mindestnotenniveau erreicht haben muss. Mit der Festlegung einer solchen Notenuntergrenze (= „Staatsnote“) übt der Dienstherr – so das OVG – den ihm offenstehenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Eignung der Bewerber mittels einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift objektiv richtig und rechtmäßig aus. Der Grund für diese völlig zutreffende Rechtsauffassung ist darin zu sehen, dass eine oberhalb der festgesetzten Grenze liegende Benotung in der Regel auf eine bessere Qualifikation hindeutet als eine Benotung, die diese Grenze nicht überschreitet. Das bedeutet letztendlich, dass die in der Prüfung erzielte Gesamtnote für die im Rahmen der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) erforderliche prognostische Beurteilung der fachlichen und persönlichen Eignung der Bewerber besonders aussagekräftig ist. Genau auf diese Argumentation stütze das Gericht sein Ergebnis und verwies dabei auch auf eine seiner früheren Entscheidungen (OVG NRW v. 12.11.2019 –1 A 1112/17).
Siehe dazu den Beitrag:
Das Leistungsprinzip im Beamtenrecht
Das OVG NRW erklärte die in vielen anderen Bereichen praktizierte und üblicherweise als „Staatsnote“ bezeichnete Übernahmepraxis damit für rechtens. Das Erreichen einer bestimmten Mindestnote ist etwa in Bayern für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis im Lehramtsbereich von Bedeutung. Auch die DRV Schwaben übernahm beispielsweise nur solche Auszubildende in ein Beamtenverhältnis auf Probe, die in der Laufbahnprüfung (in Bayern „Qualifikationsprüfung“) eine bestimmte Mindestnote erzielt haben. Scheitert ein Bewerber an dieser „Staatsnote“, so kann er in diesen Bereichen aber aufgrund eines Arbeitsvertrages immer noch in ein Angestelltenverhältnis übernommen werden. Das ist möglich, weil der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG Ausnahmen insoweit zulässt als die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe nur „in der Regel“ Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die als Beamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
Siehe dazu die Beiträge:
Was bedeutet „hoheitlich“? und
Der Funktionsvorbehalt im Beamtenrecht
Leider wird aber von dieser Möglichkeit in der Leistungsverwaltung viel zu selten Gebrauch gemacht. Der Sinn und Zweck des Berufsbeamtentums liegt nämlich nicht nur in dem vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Streikverbot (vgl. den Beitrag: BVerfG: Streikverbot für Beamte verfassungsgemäß! und in den besonderen Rechten und Pflichten eines Beamten, die aus seinem Dienst- und Treueverhältnis resultieren (siehe: Das Dienst- und Treueverhältnis des Beamten. Wichtig ist vielmehr insbesondere, dass sich die Öffentlichkeit auf das bestmögliche Fachwissen innerhalb der Verwaltung verlassen können muss!
Das ist aber leider häufig nicht der Fall. Warum?
Oftmals bestehen die Hürden für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf zunächst nur in der Ablegung eines „Quasi-Ausleseverfahrens“, an dem Schüler nur deshalb teilnehmen, weil sie dafür einen Tag schulfrei erhalten. Zudem wird diese „Pseudoprüfung“ auch noch in einem sog. „Multiple-Choice-Verfahren“ abgehalten. Grund: Die Auswertung wird der dafür zuständigen Behörde bzw. des Landespersonalausschusses dadurch wesentlich erleichtert.
Das Ergebnis: Viele Bewerber wundern sich sogar, warum sie eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten und lassen sich oft nur deswegen in den Vorbereitungsdienst übernehmen, weil sie eben nichts Besseres vorhaben. Das kann nicht der Sinn einer Auswahl sein.
Als Hürde für die Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Probe sehen die Laufbahnvorschriften von Bund und Ländern das Bestehen der Laufbahnprüfung vor. An diese werden immer weniger Anforderungen gestellt. Mit der europakonformen modularen Prüfung kann Gelerntes oft schnell abgelegt werden und sogenannte „softskills“ und Gruppenarbeiten werden zum Prüfungsalltag. Wie die geringen Durchfallquoten zeigen, werden Laufbahnprüfungen indirekt abgewertet.
Aber hier wäre dennoch nach der oben beschriebenen Methode der „Staatsnote“ eine weitere Auslese in vielen Fällen angezeigt – wie die späteren Leistungen in der Praxis nicht selten zeigen. Auf diese Weise könnte bereits bei der Einstellung zum Beamten auf Probe – und nicht nur erst später im Rahmen der Probezeitbeurteilung – eine Auslese für die spätere Ernennung zum Lebenszeitbeamten getroffen werden. Mit welchen Schwierigkeiten es verbunden ist, sich von einem ungeeigneten Beamten auf Lebenszeit wieder zu trennen, das zeigt eine Vielzahl von Praxisfällen.
Äußerst kontraproduktiv erweisen sich hier bereits getroffene gesetzliche Maßnahmen wie etwa die allgemeine Verkürzung der Probezeit von drei auf nur mehr zwei Jahren in Bayern (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 LlbG) aber auch der Wegfall der Altersgrenze von 27 Lebensjahren für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Rahmen des neuen Dienstrechts für alle Beamten. (Siehe dazu den Beitrag: Der sechzehnjährige Lebenszeitbeamte.
Ihr Dr. Maximilian Baßlsperger
Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier/Summer, § 9 BeamtStG, Rn. 120 a
Lesen Sie dazu auch die Beiträge:

